Studio Dan

In Assoziationen denken

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freiStil No. 62, Andreas Fellinger, 2015-09-01

In Assoziationen denken
Da ist jemand gleich alt wie freiStil. Es ist ein Ensemble von unterschiedlicher Größe und hört auf den Namen Studio Dan. Geleitet wird es vom Posaunisten, Komponisten und Arrangeur Daniel Riegler. Im Gespräch mit Andreas Fellinger erzählt er von den Anfängen vor zehn Jahren, von den ebensovielen Programmen, von speziellen Kinderkonzerten – und davon, dass viel öfter von Balkonen herunter musiziert werden sollte.

Als der in Graz sozialisierte Daniel Riegler seinem Ensemble einen Namen geben soll, stellt er zwei Bezüge her – den zu Frank Zappa bzw. dessen Studio Tan-Platte und den zu sich selber bzw. seinem Vornamen. „Außerdem nannte Zappa sein erstes Tonstudio Studio Z“, erzählt Riegler, dem der zweite, selbstbezügliche Bandname inzwischen etwas peinlich ist. Aber auch nicht mehr zu ändern, zumal er den Status eines Markennamens erlangt hat. Charakteristisch fürs Studio Dan ist der unorthodoxe Umgang mit Elementen des Jazz, der Neuen und der Improsivisierten Musik sowie deren Mischungsverhältnis und Aufführungspraxis.

Seit etwa zwei Jahren, erklärt Riegler, habe man begonnen, die Maximalbesetzung von 15+ Mitwirkenden zu reduzieren und projektbezogen einzusetzen. Konkreter Auslöser dafür sei zwar die Finanzmisere gewesen bzw. die stetig geringer werdenden öffentlichen Gelder. Andererseits sei man auf diese Weise flexibler, wendiger. „Trotzdem soll in allen Programmen auch das große Ensemble dabeisein können.“ Teilweise in dessen Zentrum, teilweise als einfaches Mitglied fungiere dabei immer wieder sein Bruder Leo Riegler, der seit einiger Zeit mit Lukas König als koenigleopold für Furore sorgt. Von außen betrachtet, fällt die stellenweise Deckungsgleichheit mit Aktivitäten der JazzWerkstatt Wien auf. Immerhin leitet Daniel Riegler auch gelegentlich das JazzWerkstatt New Ensemble, also die größere Band des Vereins. Riegler ist diese Wahrnehmung bekannt, er verweist aber darauf, dass beide Gruppierungen „personell vermischt, aber strukturell getrennt“ agieren.

Einen besonders hohen Stellenwert genießt bei Daniel Riegler die letztjährige Zusammenarbeit mit dem großen, damals „nur körperlich 80 Jahre alten“ Avantgardisten Vinko Globokar. Drei Konzerte hatte man in der Strengen Kammer – im Parterre des Wiener Porgy & Bess gelegen – absolviert, zu einem davon kam Globokar selber, als Zuseher und als Mitspieler. Aufgeführt wurde sein Stück individuum <–> collectivum, in kleiner Besetzung und mit je einem Gast, als da waren: Isabelle Duthoit, Matthias Muche, Bertl Mütter und Hannes Löschel. Ein viertes Konzert fand dann im großen Porgy-Saal statt, zur Aufführung kam Globokars Komposition Eppure si muove (dt.: Und sie bewegt sich doch), „ein hochinteressantes, komplexes Stück, geschrieben für einen dirigierenden Posaunisten“, sagt der dirigierende Posaunist Riegler.

Globokar, Sharp, Doneda, Cerha
Sehr lässig sei auch die Kooperation mit dem New Yorker Gitarristen Elliott Sharp vor zwei Jahren gewesen. „Das war völlig problemlos“, erinnert sich Riegler, der Sharp zuvor mit einer Komposition für Studio Dan beauftragt hatte. „Elliott hat seine Partituren dann nur als Gerüst für eine eigene Klangarbeit verstanden, die wir dann gemeinsam entwickelt haben.“ Die aus diesem Zusammentreffen resultierenden Konzerte in Wien, Graz und München seien dann in die CD In The Pelagic Zone gemündet, einen von bisher fünf Studio Dan-Tonträgern.

Aktuell steht die Kooperation mit einer weiteren Lichtgestalt der Improvisation an. Darin knüpft man an jene von vor drei Jahren an, als man das Stück Fanfare III gemeinsam erarbeitete. Die Rede ist vom französischen Sopransaxofonisten Michel Doneda, das Programm trägt den Titel Prolog DUE. Dabei kommt einmal mehr Rieglers Vorliebe für assoziative Zugänge zum Tragen. Man könne den Titel als Zwei (Doneda & Studio Dan) lesen, als Das zweite Aufeinandertreffen bzw., auf Englisch, als passend/genau oder als Schulden/Zahlungsziel. Diese konzeptive Offenheit spiegelt auch das Personal wider. Begonnen wird die Zusammenarbeit im Sextett (Michel Doneda, Daniel & Leo Riegler, Manuel Mayr, Mathias Koch, Benjamin Maumus), es könne sich aber bis zum gesamten Orchester ausdehnen. Außerdem war man mit der ersten CD, auf der die Musik von Donedas Soloplatten wie als Vexierspiegel in ein Ensemble-Stück mündeten, nicht restlos zufrieden und strebe auch deshalb einen zweiten Anlauf an. Es gehe in der Ouvertüre (im Wiener echoraum, featuring Franz Hautzinger) um den Klang im Raum und als Wechselwirkung von beidem.

Auf einen ganz anderen Hintergrund verweist Riegler für die Zyklen Eine Art Chansons und Eine letzte Art Chansons von Friedrich Cerha. Cerha hatte sie – nach Texten von u. a. Ernst Jandl, Gerhard Rühm und Friedrich Achleitner – eigentlich für HK Gruber geschrieben. Nachdem er aber die Interpretation einiger dieser Chansons durch die Vokalistin Agnes Heginger gehört hatte, ermutigte er sie dazu, die ganze Sammlung aufzunehmen und als CD zu veröffentlichen. Heginger wird also singen, Mathilde Hoursiangou spielt Klavier, Michael Seifried Kontrabass und Andreas Moser Perkussion. Daniel Riegler tritt hier als Musiker in den Hintergrund und beschränkt sich auf die Rolle des Produzenten und Aufnahmeleiters.

Kinderkonzerte, Raumklang, Veränderungen
Eine spezielle Bewandtnis hat es auch mit den Kinderkonzerten unter dem Titel Studio Dan spielt... auf sich. Entstanden sei es 2008 in Zusammenarbeit mit Manfred „Ossi“ Weissensteiner vom Grazer Theater am Ortweinplatz, kurz TaO!. Man hatte sich dafür nicht selber verkindlicht, wie Riegler erzählt, sondern sich den Kindern vorgestellt, ihnen die jeweilige Entwicklung eines Stücks demonstriert, sie und ihr Vorstellungsvermögen ernstgenommen. Das neue Kinderstück wird dann in Graz und Wien, aber auch in Hamburg aufgeführt, wo ein großer Fan der Band – Stephan von Löwis – sich seit vielen Jahren mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzt und auch schon die eine oder andere Aufführung mit Riegler organisierte.

Davor, in der ersten Jahreshälfte stand in fünf Performances eine ziemlich anspruchsvolle Arbeit am Programm: die Raumklang-Installation Homo Faber vom Künstlerduo Krüger&Pardeller im Wiener 21er Haus. In kleiner Besetzung (Riegler mit den Streicher*innen Sophia Goidinger-Koch, Maiken Beer und Manuel Mayr) untersuchte man die Gemeinsamkeiten mit der klanglichen Ebene der Texte des Bildhauers Fritz Wotruba. Töne und Obertöne. Das Resultat war, wie Riegler sagt, eine „Komprovisation“, die neben der theoretischen Grundlage auch das Auflösen der Trennung von Bühnen- und Publikumsraum und das Integrieren der Architektur in ein Musikstück reflektierte.

Immer wieder sind es also Fragestellungen von Raum und Klang, die Daniel Riegler beschäftigen und deren Beschäftigung er als Anspruch an sich und seine Verbündeten stellt. Dazu gehört, dass er permanent daran interessiert ist, neue Räume für (neue) Musik zu erschließen. „Weniger aus ästhetischen Gründen, mehr aus politischen“, erläutert Riegler. Dahinter steht das Bewusstsein, so oft wie möglich aus festgefahrenen Konzertsituationen auszubrechen, unhinterfragte Gewohnheiten zu hinterfragen. So hat er für das Programm Musik für 11 (der Titel erklärt die Anzahl der Mitwirkenden), das früher schon im Arnulf Rainer Museum in Baden über die Bühne ging, ein Hallenbad als Konzertort ausfindig gemacht. Ein anderer Spielort für das Studio Dan waren aber auch eine Waschküche, ein Platz unter einer Autobahnbrücke, und einmal hatte das Ensemble von Balkonen eines Gemeindbaus konzertiert. Verändert man den Spielort, verändert sich auch die Wahrnehmung von Musik. Daniel Rieglers Fazit: „Es müsste viel öfter von Balkonen herunter gespielt werden!“