Ein Maikäfer fährt mit Musik zum Mond
Tanzschrift, Ditta Rudel, 2022-12-09
1912 hat der Schriftsteller und Schauspieler Gerdt von Bassewitz (1878–1923) für junges Publikum das Märchenspiel „Peterchens Mondfahrt“ geschrieben, 1916 folgte das gleichnamige Märchenbilderbuch. Die Dschungel-Chefin, Corinne Eckenstein, hat die Idee geboren, daraus ein lustiges Musiktheaterstück zu machen. Ganz korrekt heißt die Komödie „Peterchens und Annelieses Mondfahrt“. Cecilia Kukua, Felix Werner-Tutschku und ein Quartett des Studio Dan fahren samt zwei Pappendeckelpuppen mit großer Lust zum Mond und wieder retour. Premiere war am 8.12. im Dschungel, Theaterhaus für junges Publikum.
Maikäfer haben in der Regel sechs Beinchen, doch Herr Sumsemann (Werner-Tutschku) hat nur fünf. Vor langer, langer Zeit hatte ein Vorfahr Sumsemanns mit seiner frisch angetrauten Frau auf einem Ast Siesta gehalten. Ein Holzdieb hat diesen Ast abgeschlagen und zugleich ein Beinchen des Käfers erwischt. Der Holzdieb wird von der Fee der Nacht (neben vielen anderen Rollen schlüpft Kukua mühelos ins silbernen Prachtkleid und ist eine zauberhafte Fee) samt dem 6. Beinchen auf den Mond verbannt. Nun hat sich Sumsemann in den Kopf gesetzt, dieses Beinchen wieder zurückzuholen. Doch der gute Käfer ist ein „Schisser“, wie die resche Inspizientin weiß, die Mondfahrt kann nur gelingen, wenn er zwei mutige, tierliebende Kinder findet.
Von oben blickt Posaunist Daniel Riegler auf die Reisenden. Die melden sich sofort im Publikum, doch der Bub und das Mädchen, schnell umgetauft in Anneliese und Peterchen (sic), bleiben in der vordersten Reihe sitzen, auf die Reise von Sumsemann und der zur Reiseleiterin mutierten Inspizientin werden zwei flache Attrappen mitgenommen, was von den beiden Reisenden einiges an akrobatischem Können verlangt. Beim Fliegen, Lenken des Spaceshuttles und auch beim Ritt auf dem Eisbären (nur Sumsemann mit den beiden Kindern reiten, denn jetzt ist Kukua auch der Große Bär am Sternenhimmel) müssen die Hände frei sein, Peterchen und Anneliese werden deshalb an sämtlichen Körperteilen festgemacht. Zudem steckt der Maikäfer Sumsemann in einem festen Panzer und schleppt überdies das 5., mangels Gegenüber, nutzlose Beinchen mit.
Großartig ist die Ausstattung von Gerti Rindler-Schantl. Die vier Mondfahrer:innen müssen ja Galaxien durchqueren, in denen es glitzert und flimmert, Sterne leuchten, Kometen sausen durch das All und Meteoriten fallen auf den entfernten Erdball. Zur Bühnenmagie gesellt sich auch die Magie der Musik, das Violoncello singt und kratzt, das Schlagwerk trommelt, klopft und klappert und vergisst auch nicht zu donnern und begleitet den Kampf mit dem bösen Mondmann, der das Beinchen nicht hergeben will. Doch Kinder glauben noch daran: Das Gute siegt immer.
Die Tasteninstrumente piepsen, zirpen und quietschen. Die Posaune führt das musikalische Quartett an, zittert vor Angst, umschmeichelt die schöne Fee der Nacht, beruhigt den grantigen Sandmann und brummt behaglich wie der weiße Bär. Maiken Beer, Raphael Meinhart, Daniel Riegler und Michael Tiefenbacher sind weltraummäßig bekleidet, glitzern selbst wie Sonne, Mond und Sterne, und sehen von hohen Podesten auf die Erdlinge herab. Sie spielen ihren Part nicht nur mit den Instrumenten, sondern auch als teilnehmende Darstellerin / Darsteller. Käfer und Begleiterin wagen auch einige Tanzschrittchen, aber mit nur fünf Beinchen ist nicht leicht tanzen.
Auch hundert Jahre nach ihrer Entstehung sind Buch und Märchenspiel immer noch überaus beliebt und nahezu das ganze Jahr auf irgendeiner Bühne zu sehen, mitunter mit 16 Darsteller:innen. Kukua, Werner-Tutschku, Maiken Beer und ihre drei Kollegen auf den Podesten ersetzen jede Menge Nachtgespenster und Mondkälber, Darsteller und Statisten. Gespielt wird mit Einsatzfreude und fröhlicher Energie und auch die stummen, doch leuchtenden, rollenden und blinkenden Objekte tragen zum Erfolg bei. Dass die Handlung szenenweise dahinplätschert und kaum Spannung aufkommt, ist kein Malheur. Schließlich ist diese Märchenutopie das Weihnachtsstück im Dschungel, da soll es friedlich zugehen und gelacht werden darf auch.