Komplexer Tanz im Freien.
Tanznetz, Paul Delavos, 2022-07-27
Die Wiener Choreografin hat ein spannendes Experiment gewagt: kann man ein Tanzstück zu Minimal Music in jeglichem Ort im Freien aufführen? Für „FEMENINE“ entwickelte sie eine spannende komplexe Choreografie. Fast zu komplex für eine Vorstellung im Freien.
Es ist ein drückend heißer Tag an dem die Uraufführung von „FEMENINE“ im Rahmen von ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival bei einem Wiener Gemeindebau am späten Nachmittag stattfindet; gleich neben einer gut besuchten Badestelle an der alten Donau. Eva-Maria Schaller hat für ihr Tanzprojekt im Freien Unterstützung vom Ensemble Studio Dan, das die Komposition „FEMENINE“ des afroamerikanischen homosexuellen Julius Eastman aus dem Jahr 1974 live spielt. Es ist Minimal Music auf höchstem Niveau, die man da zu hören bekommt. Ausgehend von einer kurzen Tonabfolge – gespielt auf einem Metallophon –, die das ganze Stück lang wiederholt wird, entwickelt sich die Musik trotz aller Wiederholungen weiter. Schade, dass der Komponist, der im Programmheft als „Rising Star und gleichzeitig Underdog der New Yorker Avantgarde-Musikszene der 1970er Jahre“ beschrieben wird, zu den Vergessenen zählt.
Schaller hält sich vor allem am Anfang in ihrer Choreografie stark an den musikalischen Rahmen. Ein kurzes Bewegungsmotiv aus Gehen, Hüpfen und Drehen wird immer wieder wiederholt. Die fünf Tänzer*innen – Schaller tanzt selbst mit – nehmen dabei viel Raum ein. Das Motiv entwickelt sich weiter, wird unter den Tänzer*innen weitergegeben. Es wird mit der Energetik von gegenseitiger Gewichtsübertragung und Hebungen gespielt. Die Formation wechselt zwischen Solo, Duo, Trio und Gruppe ab. Zwischendurch lauschen die Tänzer*innen auch einfach nur einmal der Musik. Scheinbar mühelos fließen sowohl Musik und Choreografie dahin, beeinflussen sich in ihrer Energie gegenseitig. Musikalische Höhepunkte werden dabei nicht immer übernommen.
Für eine Aufführung im öffentlichen Raum sind allerdings Musik als auch Choreografie wohl zu komplex. Abgesehen von einem Badegast, der sich über die Musik beschwert hat, hält sich das Interesse der Badenden und auch der vorbeikommenden Passant*innen sowie Gemeindebaubewohner*innen leider in Grenzen. Auch für das anwesende Publikum ist es nicht immer einfach, den Fokus auf die Vorstellung zu halten. Vielleicht wird das bei den kommenden Aufführungen im Wiener Stadtpark und bei der U6-Station Handelskai anders sein… Dennoch ist es toll, dass der Tanz wieder ins Freie zu den Menschen geht. ImPulsTanz macht das schon seit einigen Jahren mit der Workshopreihe „Public Moves“. Einige Jahre hindurch gab es auch eine gut besuchte Eröffnung des Festivals im Wiener Museumsquartier, die leider dem Sparstift zum Opfer gefallen ist. Zum Schluss gibt es berechtigterweise viel Applaus für die Tänzer*innen und Musiker*innen.