Studio Dan

Minimalistische Geometrie als Kernpunkt

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Porgy & Bess, Hannes Schweiger, 2019-10-17

Weiterentwickeln, voranschreiten, Dogmatismen zerstäuben, Genreclaims einen und in die Ferne schweifen, eine Neuaufstellung musikalisch avancierter Organisationsprinzipien in Eigenverantwortung wagen, Werke ausgewählter, wegweisender musikalischer Querdenker neu vermessen bzw. in Klänge setzen, so lautet, in aller Konsequenz und Leidenschaft, Daniel Rieglers Devise.

In welcher Vielfalt der Posaunist, Komponist, Konzeptionist dies auf den Punkt bringt, erschallte eindringlich anlässlich gegenständlicher, auf zwei Tage anberaumter, von der Jeunesse verantworteter Personale. Zur Umsetzung schritt Riegler, dem Kreis der initiativen, charismatischen Kreativköpfe des Gegenwartsmusik-Zirkels hierzulande angehörend, mit der von ihm gegründeten Großformation Studio Dan. Geboren aus der wohl wichtigsten Kooperative des österreichischen Advanced-Jazz der jüngeren Historie, der JazzWerkstatt Wien.

Die Instrumentierung von Studio Dan hat nunmehr eine Kammermusikensemble-Ausrichtung, der eine Ausgewogenheit aus Streich-, Blechblas-, Holzblas- und Schlaginstrumenten eigen ist. Mit Beharrlichkeit, einem Füllhorn an Ideen respektive im Verbund mit großartigen jungen MusikerInnen, hat Daniel Riegler dem Kollektiv eine ausnehmend eigenständige Prägung erspielt. Die Spannung war hoch. „Nachgehallt“ sei hierorts der zweite Tag. Prominenter ausländischer Gast war diesmal der New Yorker Pianist Anthony Coleman. Er war gebeten für Studio Dan ein Stückekompendium, für die Programmserie New York – Wien #3, auszutüfteln. Angeregt von der speziellen Instrumentierung des Ensembles verfasste Coleman sechs Kompositionen, die deutliche Analogien zum Duktus der komponierten Musik des 20. Jahrhunderts herstellen. Verweise zu Kagel, Varese, Stockhausen können gezogen werden. Die Ereigniszustände waren sehr spartanisch, besaßen vertrackte Schichtungen, vornehmlich in atonalen oder freitonalen vertikalen Formen angesiedelt. Strukturentscheidendes war zudem in umfangreichem Maße repetitiven Figuren, rhythmische Gliederungen implizierend, zugedacht. Dennoch war die Motorik der Musik im gesamten zu statisch und ließ die swingende Amplitude mit der Coleman ja bestens vertraut ist, vermissen. Eigenwillig schuf der Pianist einen „seriell reduktionistischen Minimalismus“, der allerdings zu strikt in Determinationen festgesetzt ist.

Zweiter Programmpunkt waren zehn Kompositionen, von zehn MusikerInnen/KomponistInnen, inländischer wie internationaler Provenienz. Grundidee: vom Zeitrahmen einer Minute ausgehend, soll in Einminutenschritten, in der Besetzung Solo, Duo, Trio… bis zum Tentett die Dauer der Stücke definiert sein. Zusammengefasst unter dem Titel Augmented Reality – Series #1. KünstlerInnen wie u.a. Maja Osojnik, Susanne Gartmayer, Cynthia Zaven. Christof Dienz, Clemens Wenger ließen Hingabe für jene Anregung walten. Hieß z.B.: Cello Solo, Duo Posaune/Klavier, Trio Geige/Cello/Sampler etc. Gleichsam der Mehrzahl war eine sperrig, spröde Konstruktivität gemein. Im Einflussbereich von Strukturen, Texturen, Timbres Neuer Musik. Interessantes Spiel mit der Agogik, andererseits versiegte das Tempo ab und an. Und es war zu wenig Individualraum freigestellt. Jazzbegrifflichkeiten und –techniken erklangen nur in homöopathischen Dosen. Erneut hervortretend: Pattern-Loops. Spannende Inhalte gabs etliche an der Zahl, fristeten aber häufig ein Inseldasein. Lediglich das Finalstück dieser „Werkschau“ aus der Feder der Bassklarinettistin Susanna Gartmayer, die auch aktiv beteiligt war, fiel hinsichtlich Architektur, um etliches offenherziger gegenüber anderen stilistischen Ästhetiken, und der Bewegungsintensität aus dem Rahmen. Zudem zeigte sie als Solistin in einer kurzen ad lib-Passage reichlich Fantasie. Worüber kein Zweifel herrscht, sind das musikalische Niveau aller gehörten Musik, das Können, instrumentale Vermögen der ProtagonistInnen, deren Genauigkeit in der Belebung der Tondichtungen.

Kehraus des Abends war die Kooperation des „mechanischen“ Techno-Trios Elektro Guzzi mit dem Posaunen Terzett Polybrass. Techno verfolgt ja a priori einen reduktionistischen Ansatz, was die Guzzis mit grandioser Präzision handwerklich umsetzten, wobei der Punch, trotz malmendem E-Bass und fetter Bass-Drum nicht zur markanten druckvollen Konsistenz anschwoll. Man vermisste die knallende Snare-Drum und die zischende Hi-Hat. Die Idee um die Erweiterung eines Posaunensatzes ist originell. In der Beschränkung auf polyphone Flächen bzw. Punktualitäten (im Wiederholungs-Modus) verstärkte die Bläser-Section den tranceartigen Reiz. Gut zu Gesicht würde den „Blech-Guzzis“ das Motto stehen: „Die Revolution ist analog. Nicht digital.“ So richtig erschließt sich einem die Musik allerdings nur, wenn sie einen gänzlich einsaugt.

Unumstößliches Fazit: Daniel Riegler präsentierte eine beeindruckende Standortbestimmung seines derzeitigen multiplen musikalischen Schaffens. Kompromissloses Ausdifferenzieren des eigenen Dialekts ist der hörbar signifikanteste Schrittmacher in Rieglers „Experimental-Studio“. Fürwahr ein sanguinischer „Ent-Riegler“.