Tanz die Dekadenz
porgy.at, Hannes Schweiger, 2016-11-01
(…) Schlusspunkt: Der MusikerInnen-Pool Studio Dan, der je nach Projekt in unterschiedlicher Besetzungsstärke agiert, gehört zweifelsfrei zu den vielsagendsten Großformationen hierzulande, die durch die kompositorischen/ konzeptuellen Visionen der beiden diesbezüglich Hauptverantwortlichen, der Posaunist Daniel Riegler und der Pianist Clemens Wenger, einen „eigenmächtigen“, profunden Ansatz zwischen einer tiefverwurzelten, aufgeschlossenen Jazzrhetorik und den der klassischen Avantgarde des 20. Jhdts entstammenden Klangeindrücken und –qualitäten ausfindig gemacht haben. Das Programm Dekadenz wurde überarbeitet und in opulenter Besetzung präsentiert und war auch als Statement gegen die globale gesellschaftlich Verrohung und den um sich greifenden Respektverlust angelegt. Ideenreichtum und große Arrangierkunst markierten die kniffligen Stücke. Dicht verwobene kompositorische Strenge, in der jede Menge harmonischer Waghalsigkeiten eingeflochten sind, und die Grund der leichthändigen Umsetzung der hochklassigen MusikerInnen eine grazile Beweglichkeit erlangten, glitt bruchlos in Fenster aufstoßende Improvisationskonzepte hinüber. Eine solche Situation nützte der Saxophonist Clemens Salesny zu einem aus den Nähten platzenden, stürmischen Solo, kommentiert von polytonalen, berstenden Ensembleclustern. Den hochindividuellen Ensemblesound zeichnet das effektive Changieren zwischen wuchtigen Klangblöcken und feinziselierten Gespinsten aus. Aber auch für Humoreskes war Platz. Es fand seinen Ausdruck als der Elektroniker Leo Riegler sich zu jazzimmanent, nonchalant swingenden Soundwalls ein Schnitzel zubereitete. Ein kompromissloses, klangfanatisches Ensemble mit enorm viel authentischer Energie und unbeugsamer Haltung. Und sie gehören mit einem Haufen anderer bemerkenswerter MusikerInnen und Ensembles zu jenen, die den österreichischen Jazz permanent unter Strom setzen. Dekadenz als Widerstand.