Studio Dan

Viele tierliebende, mutige Kinder reisen hier mit

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kijuku.at, Heinz Wagner, 2022-12-12

Als „Peterchens Mondfahrt oder wie Anna und ihr Bruder Peter das Universum retten“ lief das 120 Jahre alte und doch so junge Märchen vor knapp mehr als einem halben Jah in den Kinos. Nun spielt sich die Geschichte – mit viel Live-Musik und einer Rahmenhandlung, die das Theater selber witzig anspricht – im Dschungel Wien als „Peterchens und Annelieses Mondfahrt“ ab.

Live-Musik
In Ecken, an der Seite und in der Mitte der hinteren Bühnenwand stechen beim Betreten des großen Saals im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier hohe und ein noch höheres Podest ins Auge – besetzt mit Instrumenten und vier Musiker:innen. In der hinteren linken Ecke – vom Publikum aus betrachtet: Eine ganze Batterie an Schlaginstrumenten vom Schlagzeug über Metallophon und rund um hängende, beim Schlagen klingende Teile (bedient von Raphael Meinhart). In der rechten Ecke: Michael Tiefenbacher, Herr über etliche Tasteninstrumente. An der rechten Seite noch Maiken Beer am Violoncello. Leicht rätselhaft lehnt am Fuß ihres Musikpodests ein zweites Cello – das sich im Verlauf der 1 ¼-stündigen Vorstellung in ein Fluggerät verwandeln wird. Als Vierter im Bunde thront noch viel höher hinten in der Mitte Daniel Riegler, Leiter des Dan-Ensembles, der die Musik zu diesem Stück komponiert hat und selbst verschiedene Blasinstrumente, vor allem Posaunen spielt. Die Musik ist hier mehr als nur atmosphärische Untermalung verschiedenster Szenen, sie ist immer wieder ein eigenständiges schauspielerisches Element (Konzept, Regie: Corinne Eckenstein, die Leiterin des Dschungel Wien, die auch gemeinsam mit Regie-Assistentin Sophie Freimüller und Schauspielerin Cecilia Kukua die Textfassung geschrieben hat). Kurzzeitig schlüpfen Musiker:innen sogar in schauspielerische Rollen – insbesondere der Naturgewalten – Donnerhans, Sturmliese, Regenfritz …

Grundgeschichte bleibt: Tierliebende, mutige Kinder gesucht
Die Grundgeschichte ist die aus dem Original. Maikäfer Sumsemann hat wie seine Vorfahr:innen nur fünf Beine. Als ein Holzdieb sonntags eine Birke umhackte, traf er dabei das sechste Bein. Das ist auf dem Mond, denn dorthin hat die Fee der Nacht den Dieb samt seinem gestohlenen Holz – und in dem Fall auch dem sechsten Maikäferbein – verbannt. Erst ein Flug zum Mond kann für Sumsemann und seine Nachkommen wieder die üblichen sechs Beinchen bringen. Abgesehen davon, dass der Maikäfer nicht so besonders mutig ist, bräuchte es zwei Kinder, die noch nie einem Tier etwas zuleide getan haben, um die Maikäfer’sche Extremität zu retten.

Weg mit den Insekten, oder?
Der Maikäfer-Darsteller Felix Werner-Tutschku versucht sich schon vor der Vorstellung mit Kindern anzufreunden, indem er in seinem Kostüm die Wartenden vor dem Saal-Eingang begrüßt und einstimmt. Drinnen hat er’s anfangs ohnehin nicht so leicht. Neu ins Spiel hat die Regisseurin eine hantige Theaterinspizientin (Cecilia Kukua, die später ncoh die Nachfee, den großen (Eis-)Bären und andere spielt) eingebaut. Die will mit dem Meister an den Licht- und Tonreglern Hannes Röbisch eigentlich die Lichtstimmung für eine Vorstellung durchgehen, ausprobieren und nicht gestört werden, noch dazu von einem Insekt.

Der Maikäfer lässt sich zwar verjagen, aber nicht endgültig, kommt zurück und bringt doch sein Schicksal und den Weg zur Rettung an. Mutige, vor allem tierliebe Kinder braucht er.Und lädt dazu die anwesenden im Publikum ein. Auch wenn viele „ja“ und einige „nein“ rufen, geht das Spiel weiter: Lasst euch ein auf eine Traumreise.

Zur Unterstützung wird ganz schön und üppig von den beiden Darsteller:innen gespielt. Ach ja, Peterchen und Anneliese kommen auch vor – als 2D-Figuren im Stile von Kinderzeichnungen – abwechselnd bedient von Werner-Tutschku und Kukua. Letztere ziert sich anfangs, lässt sich aber, wenn sie die Fee spielen darf, auf die (Flug-)Reise ein. Das schon erwähnte – ausrangierte wie die Musikerin nach der Vorstellung betont – Cello wird zum Space-Shuttle. Ein irre langer silbrig glänzender Stoff wird nicht nur zur Schleppe der Fee, sondern gleich zur glitzer-glänzenden Milchstraße (Ausstattung: Gerti Rindler-Schantl). Viele große und kleine leuchtende Bälle – von den Musikpodesten auf die Bühne geschossen – verwandeln diese in die Sternenwiese – einen Zwischenhalt auf dem Flug zum Mond.

Mondrakete
Auf dem Mond selbst braucht’s noch mal viel Mut, um den grantigen Mondmann von der Herausgabe des Sumsemann’schen Beinchens zu bewegen – und davor einen Flug mit einer Rakete vom Mondboden zu jenem Berg, auf dem der Herr über den Erdtrabanten wohnt. Warum diese Rakete just den Namen Apollo 13 bekommen hat? Also ausgerechnet jener Mission, die nicht auf dem Mond landen konnte, sondern durch die Explosion des Sauerstofftanks und den berühmten – meist nicht ganz richtig zitierten – Spruch „Houston, wir haben gerade ein Problem gehabt“ berühmt geworden ist? Ebenso unerklärlich wie die Behauptung, auf dem Mond gäbe es keine Schwerkraft.

Viel zu wenige urur-
Aber diese Dinge tun der diesjährigen Weihnachtsproduktion im Dschungel Wien – der jeweils einzigen der Saison mit langer Laufzeit (diesmal bis 6. Jänner 2023) ebenso wenig Abbruch wie die Beschränkung auf sechs ur bei der Aufzählung von Sumsemanns Vorfahren. Die Aufzählung der Ururur- und so weiter würde in Wahrheit nicht ausreichen, ist doch die Rede von vor 468 Jahren was bei der wenige Wochen dauernden Lebenserwartung … naja!

Natürlich: Happy End und rechtzeitige Landung auf der Erde, bevor die Sonne die beiden Kinder aus ihren Betten holt. Eine schöne runde Sache und vielleicht das Erstaunen, dass ein Autor schon 1912 gegen das Abholzen von Bäumen einerseits und auf die Natur- und Tierleibe von Kindern setzte – und heute noch viel mehr auf diese Kraft gehofft, gesetzt werden muss.