Studio Dan

Musik, Medien und Menschen

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The Mystery Interview

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Dieser Text entstand als Emailinterview mit Daniel Riegler (Studio Dan) im Rahmen der Vorbereitungen für einen Text, der am 2. September in der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD erschienen ist. Aus Platzgründen, wie uns die Redaktion im Nachhinein bestätigte, konnte wenig vom Ursprungstext abgedruckt werden. Wir wollen das an dieser Stelle nachholen. Aus medienrechtlichen Gründen ist weder der Interviewer noch seine Fragen genannt. Sie werden als Überschriften den Antworten vorangestellt. Die Antworten sind geringfügig editiert und dem hier vorliegenden Format angepasst.

Frank Zappa und die heutige Musikszene
DR: Ich glaube, er würde sehen, dass vieles von dem, das er begonnen hat – ein vielschichtiges, vernetztes, musikalischen Denken – common sense geworden ist. Ich glaube, die Szene (?) ist auf eine gesunde Art undogmatischer, jedenfalls offener geworden. Vielleicht fände er das gut.

Was würde er uns raten? Vielleicht, dass wir mit den Leuten härter ins Gericht gehen, die uns bei unserer Arbeit behindern, da gäbe es einiges zu meckern. Er hat sich ja eher selten ein Blatt vor den Mund genommen.

Ingrid Laubrock und Lukas König bei den Klangspuren Schwaz
DR: Ingrid Laubrock und Lukas König sind prototypisch für diese, unsere Generation von Musiker:innen, die s.o. sich frei zwischen den Ästhetiken und approaches bewegt. Das kommt, wie ich glaube, von einer grundehrlichen Offenheit und Neugierde, einem echten Hinschauen – Hinhören – auf die Welt. Das hat viel mit Menschsein zu tun und deshalb passt es zu uns, weil es das ist, was uns v.a. interessiert.

Die Stücke sind in ihrer klanglichen Grundanlage sehr verschieden. Ingrids Stück ist eine Komposition für akustisches Ensemble, Lukas stellt sich und ein elektronisch verstärktes Becken, einen Flipper und dessen Spielerin, die Noise-Performerin Victoria Shen, in den klanglichen Mittelpunkt. Was die Stücke eint, ist, dass alle Spieler:innen sehr aktiv in die Entwicklung des Ergebnisses eingebunden sind. Das Kollektiv muss sich live einen Pfad durch die kompositorischen Grundideen bahnen. Zuhören, schnell reagieren, durchlässig bleiben. Es wird ein sehr kurzweiliges Programm, es gibt auch viel zu sehen.

Die Bedeutung der Klangspuren Schwaz und anderer große Festivals
DR: Ich möchte an dieser Stelle nicht vergessen, dass wir in diesem Herbst insgesamt noch acht Produktionen präsentieren. Vor den Klangspuren gibt es noch eine Premiere mit Musik von Michael Tiefenbacher bei den Musiktheatertagen Wien (14.-19. September), später Konzerte bei Wien Modern im Porgy & Bess, dann Zappa im Wiener Konzerthaus, aber auch ein Käfigkonzert im 15. Bezirk und Konzerte in Graz.

Die Zusammenarbeit mit großen Festivals und Häusern ist sehr wichtig für uns. Mit ihnen können größer angelegte Ideen angestoßen werden. Produktionen, die wir dann über einen längeren Zeitraum im Repertoire haben. Klangspuren, Wien Modern, Porgy & Bess, Elbphilharmonie, La Strada waren in den letzten Jahren sehr verlässliche Partner in dieser Hinsicht. Die Zusammenarbeit mit Clubs und kleinen Veranstaltern ist aber auf einer anderen Ebene genauso wichtig. Hier kann man Neues, Experimentelleres ausprobieren und kurzfristigere Ideen umsetzen.

Kunst- und Kulturbetrieb: Konzerthäuser, Clubs, Kulturpolitik, Medien, Publikum…
DR: Man sollte hier die Künstler:innen als die wichtigsten Akteur:innen nicht vergessen. Die Szene, was auch immer das genau sein soll, ist sehr, sehr aktiv und vernetzt. Corona hat uns darin bestärkt, unsere Rolle in der Gesellschaft zu behaupten. Es ist wirklich viel los, viele Junge (und Alte ...), die super Arbeit machen, ob als Komponist:innen, Musiker:innen oder in anderen Funktionen. Wien ist, denke ich, wirklich ein Hotspot für genre- und szeneübergreifendes Denken geworden. Da schöpfen Leute aus dem Popbereich aus Erfahrungen, die sie mit Klangkünstler:innen und E-Musik-Komponist:innen machen, Ensembles arbeiten sich nicht mehr nur an einer Leitidee ab usw. Das Biotop der KunstSCHAFFENDEN ist ein fruchtbares und nur mit unserer Arbeit machen am Ende Veranstalter, Clubs und Medien ihre Arbeit.

Bei den anderen genannten Teilen des Biotops wird es schon schwieriger. Der tägliche Kampf um Aufmerksamkeit ist enorm aufreibend. Das ist etwas, das mich über die Jahre sehr beschäftigt hat. Veranstalter und Clubs sind schon eher schwer zu erreichen. (Natürlich gibt es Ausnahmen, siehe oben). Mit den politischen Akteur:innen kann man zumindest kommunizieren, auch wenn nicht immer alles nach Plan verläuft. Aber vor allem die Medien sind zu einem kommunikatorischen schwarzen Loch geworden. Es ist ja nicht so, dass wir gerade erst auf der Bildfläche aufgetaucht wären, wir machen seit bald zwei Jahrzehnten konstant gute Arbeit und werden behandelt wie Bittsteller. Dabei sind es ja wir, die die Inhalte liefern. Den Content ... Natürlich meine ich uns alle Künstler:innen und nicht mich und das Ensemble als solches.

Wo sind z.B. im ORF (Fernsehen) der Jazz und zeitgenössische Musik? Auch im Print und Radio, mit den bekannten Ausnahmen, werden wir wegignoriert. Dann kommt die Nischenkeule – was wir machen interessiert zu wenige....in Zeiten schrumpfender Budgets leider nichts zu machen ....

Da wird vergessen, dass wir im selben Boot sitzen: Jazz, Zeitgenössische Musik, Klangkunst, Experimentelles etc. war noch nie etwas für ein breites Publikum und trotzdem gab es in Print, Radio und Fernsehen sensationelle Formate zur Vermittlung dieser ‚nischigen‘ Seltsamkeiten, und es waren ausnahmslos Journalist:innen, die solche Programme verantwortet haben und niemals das Ergebnis einer Umfrage unter Kund:innen. Und diese Dinge haben einzelne Medien ja zu dem gemacht, was sie sind. USP - Alleinstellungsmerkmal! Lässt sich super verkaufen. Es ist und bleibt eine Entscheidung und eine Haltungsfrage der Chefetage. Und diese ist zu oft zu zynisch. Die finden sich ja auch noch cool, wenn sie Kunst uncool finden.

Und was das Publikum betrifft, ist das große Publikumssterben dann doch ausgeblieben und es kommt und bleibt auch bei diesen ‚nischigsten‘ Dingen, wie ich heuer auch in meiner Funktion beim Kultursommer Wien wieder sehen konnte. Aber darüber habe ich auch wenig gelesen oder gehört.

Sorgen?
DR: Nichts Spezielles. Ich denke, wir sollten uns alle Sorgen um die totale Entsolidarisierung der Gesellschaften machen. Hier kann man nur im Kleinen beginnen und ich denke, es kommt uns Musiker:innen, Künstler:innen, die Rolle zu, Gegenmodelle zu entwerfen. Da kommt dann die Hoffnung ...

Dogmatische Entwicklungen und liberaler Gegenentwürfe
DR: Unsere Konzepte für den öffentlichen Raum, unsere Produkionen für Kinder und alles, was wir auch auf gewöhnlichen Bühnen platzieren, verfolgen ganz klar eine politische Agenda. Wir glauben ja tatsächlich, dass Kunst das Leben von Menschen verbessert. Wir glauben sogar, dass die Kunst am Ende diese allgegenwärtigen autokratischen Systeme verhindern oder schwächen wird. Klar: nicht der einzelne Künstler / die einzelne Künstlerin, sondern Offenheit und liberale Gegenbewegung, wie Du erwähnst. Und ich weiß, dass uns die Zyniker dafür belächeln. Aber sie werden nicht Recht behalten ...

Studio Dan & Daniel Riegler, Rollenbilder und Dynamiken
DR: Ich bin seit der Gründung Posaunist und Komponist, also Teil des Ensembles, außerdem Künstlerischer Leiter. Es gibt kein Rolemodel für die Rolle, die ich versuche, in dieser Gruppe einzunehmen. Mir sind vergleichbare Figuren zu sehr mit sich beschäftigt, bekommen am Ende autokratische Züge. Und da sind wir wieder bei der letzten Frage ... das will ja niemand. Die Arbeit in einem Kollektiv ist ja – wie in unserem Fall – eine jahrzehntelange Zusammenarbeit von Menschen. Da passiert ganz schön viel – viele Feste, viele Dramen – es menschelt beständig.

Eine Gruppe ist ja kein festes Gebilde, sondern eher ein ständiger Prozess. Diesen versuche ich zu überblicken und zu verstehen. Diesen Teil meiner Arbeit liebe ich sehr, es ist etwas das direkt in mein und das Leben vieler hineinwirkt. Zu diesem Prozess gehört auch, dass seit 2022 Sidonie Forstreiter mit im Boot ist und sich die künstlerische Leitungsrolle mit mir teilt. Sie bringt einen ganz neuen Blick mit. Es ändert sich also wieder was, meine Rolle wird in Zukunft etwas anders werden. Gerade ist der Zusammenhalt unserer Gruppe so groß wie nie zuvor. Was mich selbst auch überrascht und sehr freut. Wir sind gewappnet für die nächsten Jahre.