Anspruchsvolles Entertainment
Kölnische Rundschau, Hans-Willi Hermans, 2021-05-15
"Cat o' Nine Tails" entspricht der neunschwänzigen Katze im Deutschen, und wahrhaftig: Eine akustische Peitsche haut das Streichquartett den Zuhörern mit der gleichnamigen Komposition des New Yorker Avantgardisten John Zorn gleich zu Beginn des Abends um die Ohren. Schrille Dissonanzen wechseln mitgetragenem Wohlklang, harsches Stakkato mit sanftem Schmelz, die vier Damen lassen die Saiten jaulen, kreischen und jubilieren, zupfen zwischendurch mal im Jazz-Modus oder spielen ein paar Takte Square Dance.
Nur wenige Sekunden dauern diese Sound-Fetzen meist, zusammengesetzt ergeben sie eine wilde Collage aus allen erdenklichen Stilen der Unterhaltungs- und der so genannten Ernsten Musik - die Zorn nicht ganz so ernst nimmt. Ein würdiger Beginn also für einen zweiteiligen Konzertabend mit dem Wiener Ensemble Studio Dan im Rahmen des "Acht Brücken" Festivals, dessen Fokus 2021 auf dem Thema „Kosmos/Comic" liegt.
Frank Zappa nutzte Comics fur seine LP-Cover
Gleichzeitig ein Härtetest für die vier Streicherinnen des insgesamt 14-köpfigen Ensembles, die 15 Minuten lang bravourös die abrupten Wechsel von Stimmung, Tempo, Takt und Dynamik meistern und nebenbei spieltechnische Höchstleistungen liefern.
„Zorn - Zappa - Omelchuk" ist dieser erste Teil des Abends überschrieben, als nächstes steht unter der Leitung von Dirigentin Xizi Wang die Uraufführung von ,Holy...!" auf dem Programm. Die in Weißrussland geborene und in Köln lebende Komponistin Oxana Omelchuk hat das Stück als Auftragsarbeit für das Festival geschrieben und darin mindestens ebenso viele Stile verarbeitet wie Zorn in seinem Streichquartett. Doch ist die Komposition in längere, einigermaßen homogene Abschnitte unterteilt, in denen äußerst nuanciert die Möglichkeiten des Zusammenspiels und der Dynamik zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen erkundet wird. Streicher, Bläser und Rhythmusgruppe sind mit feinem Ohr mit- und gegeneinander ausbalanciert. Ob gerade ein Marsch gespielt wird, ob Geräusch und Atonalitat vorherschen, oder ob die Musik in disneyhaftem Slapstick kopfüber zu stürzen scheint. Die fragilen Einzeltöne fügen sich dabel immer wieder zu Rhythmen oder kurzen harmonischen Motiven.
Und über allem erklingen Stimmen wie aus einer anderen Zeit und ein hämisches Lachen verschiedenen Variationen. "Das ist der Joker", erklärt Oxana Omelchuk im Interview mit Robert Slivosky. Sie habe kurze Ausschnitte aus der Tonspur zur trashigen Kult- Fernsehserie um den Comic-Helden "Batman" aus den 60er- Jahren in die Komposition eingearbeitet.
Comic-Motive hatte schon Frank Zappa, Altmeister in der Montage von disparaten musikalischen Traditionen, gern für seine LP-Cover verwendet. Besonders grell auf "Studio Tan", das den Posaunisten und künstlerischen Leiter Daniel Riegler 2005 bei der Namensgebung des Ensembles inspirierte. Riegiers "The Frank Zappa Memorial Barbecue" imitiert in Anspielung auf dessen "Eric Dolphy Memorial Barbecue" - nicht nur im Titel den stets präsenten ironichen Witz des Vorbilds, Musikalisch bietet das Stück außer Zappas plötzlichen Takt- und Tempowechslen, den typischen quietsch- und "whizz" Geräuschen oder den rasanten Melodieschnipseln aus dem Nirgendwo auch viel Raum für jazzig-virtuose, zuweilen ekstatische Soli. Anspruchsvoll und gleichzeitig tolles Entertainment, wie es der Meister liebte.
Auf den ersten, sehr abwechslungsreichen Teil des Abends folgt allerdings mit "A Tribute to Frank Zappa" ein weniger aufregendes zweites Konzert. Es besteht aus zehn Stücken von sechs Ensemble-Mitgliedern, doch leider fehlt es dem Ganzen an in innerer Spannung.
Bei der längeren kollektiven Improvisation "Konzert fur Fahrrad, Ensemble und Live-Elektronik" droht alles zum Stillstand zu kommen, daran ändert auch der Drahtesel auf der eben Bühne nichts. Einige sehr hörenswerte Passagen sind aber auch dabei, etwa wenn die Bläser mal so mellow spielen, als sollten sie Ol' Blue Eyes in seinen besten Tagen begleiten.
Oder wenn alles überwältigende Breitwand-Harmonien den Eindruck erwecken, sie wollen "Lawrence von Arabien" musikalisch neu untermalen. Ach ja, auch Frank Zappas "Be-Bop Tango" soll dabei gewesen sein. Daniel Riegler variiert dazu lächelnd Zappas Ansprache von der Live-Aufnanme, die bekanntlich wenige Tango-Anklänge aufweist. "Es ist Zappa, auch wenn es nicht so klingt."