Der Maximale der Minimalen
Kronen Zeitung, Felix Jureček, 2019-04-07
Als der New Yorker Komponist Julius Eastman 1990 obdachlos verstarb, nahm die Öffentlichkeit davon kaum Notiz. Nun wird die Musik des klangberauschten Minimalisten allmählich wieder entdeckt: einen ganzen Abend lang spielte das Studio Dan im Grazer Theater am Ortweinplatz zwei seiner Werke.
Ein kühler Klangteppich aus Morsezeichen ergießt sich über die Bühne. Immer wieder wird eine kleine Phrase, ein Kuckucksruf, wiederholt, taucht von den Streichern ab, knurrt kurz der Marimba zu, umschmeichelt dann in langen Schlieren das E-Piano. Schnell merkt man beim Hören von „Gay Guerrlia“, wieso die Musik des bekennend schwulen Afroamerikaners Julius Eastman der Minimal Music zugerechnet wird: Aus kleinsten ständig repetierenden Figuren formt das wie gewohnt großartig spielende Studio Dan ausgreifende Stücke – alleine in „Femenin“,wird eine einzige Phrase 70 Minuten lang variiert. Wie Eastman mit seinen Klangzeilen umging, hat darüber hinaus allerdings mit der stoischen Strenge von Kollegen wie Steve Reich oder Philip Glass wenig gemein: als Maximalster der Minimalisten ließ er exzessiv schwärmerische Klangwolken entstehen, fand gerade in der motivischen Reduktion die Freiheit des puren Rausches. Eine längst überfällige Entdeckung!