Die große Kunst der Kleinkunst
Neues Volksblatt, Georgina Szeless, 2015-12-11
Der Wiener Komponist Friedrich Cerha (89) stellte in Linz seine Chansons vor.
Zum Ort der Begegnung soll die neue Linzer Bruckner-Uni werden. Brauchbare Projekte dazu gibt es. So brachte Rektorin Ursula Brandstätter am Donnerstagbend den Doyen der Neuen Musik, Friedrich Cerha, als Vorgriff auf seinen 90er am 17. Februar nach Linz, um hier erstmals seine auch auf CD erschienenen Chansons vorzustellen. Es gibt ihrer ganze 72 (!). Auszüge daraus bescherten im Großen Saal des Hauses vor beschämend vielen leeren Plätzen den seltenen Genuss von Cerhas großer Kunst der „Kleinkunst“ — eines „gefährlichen Terrains“, wie der Komponist meinte.
Im Gespräch mit der Hausherrin verriet der illustre Gast mehr über die Entstehung der Lieder in den 80er-Jahren, zu denen ihn Texte der „Wiener Gruppe“ — Ernst Jandl, H. C. Artmann, Gerhard Rühm, Friedrich Achleitner — inspirierten. Musikalisch spricht aus den Vertonungen ein anderer Cerha: „Ich habe wie immer nicht nach Neuem gestrebt, aber dann haben mich doch die älteren Werke verfolgt“.
Bei Ausreizung der traditionellen Grenzen sind die Lieder „eigentlich eine Art Chansons“, wie auch ihre Titel bezeichnen, zum Schluss sogar „eine letzte Art Chansons“. Chansons, „die sich nie durch Respekt auszeichnen, was sie so an sich haben“. Und Cerha weiter: „Die Wiener Gruppe hatte ein Bedürfnis nach subversiver Haltung, aus der damals meine Chansons entstanden“.
Frech, frivol, aus Ironie gespeist, in einer fulminanten Darbietung mit wandlungsfähiger Stimme servierte Agnes Heginger die schon klassisch gewordenen Lieder, die Cerha einer Männerstimme zugedacht hatte, und von der die Jazzerin erst überzeugt werden musste. „Sie macht das wunderbar“. Das fanden auch alle Anwesenden und amüsierten sich köstlich, wozu das „Studio Dan“ — Mathilde Hoursiangou (Klavier), Andreas Moser (Schlagzeug) und Michael Seifried (Kontrabass) — wesentlich beitrug.