Dogmafrei durchs digitale Neuland
Der Standard, Ljubiša Tošić, 2017-04-17
Wien – Als Ensemble zwischen den Stilstühlen, als Studio Dan also, das sich dem Jazz so nahe wähnt wie der zeitgenössischen Moderne, ist man auch bei einem Festival, das Frank Zappa gewidmet ist, sehr gut aufgehoben. Nur sollte man achtgeben, nach Bad Doberan ausreichend viele eigene CDs mitzunehmen. Dies wurde letztes Mal versäumt, so Ensembleleiter Daniel Riegler. Die Nachfrage war viel höher als das Angebot. Und das in diesen Tagen der digitalen Tonträgerdisruption! "Die Zappanale ist das verrückteste Festival, das ich kenne", so Riegler. "Aus dem Publikum schauen dich 2000 Leute mit Zappa-Bart an, singen jede Note mit, wenn man ein Zappa-Stück spielt. Aber sie sind nicht borniert. Man ,darf‘ auch Eigenes präsentieren. Danach wird in Foren jede Minute des Sets dokumentiert und kommentiert. Es ist die nerdigste Community, die man sich vorstellen kann. Aber ich gehöre ja dazu, ohne Bart allerdings."
Bei der kommenden 28. Zappanale wird Studio Dan wieder mit einem Programm des verstorbenen US-Musikers (15. und 16. 7.) und ausreichend vielen CDs dabei sein. Es steht aber auch eine USA-Reise bevor. Und hierzulande wird Studio Dan fürs Musprotokoll des Steirischen Herbstes im Oktober Neues bieten (u. a. ein Stück des US-Posaunisten George Lewis). Aktuell hört man es (am 29. und 30. 4. in Graz) bei Klanglicht: OchoReSotto gestalten die Fassade der Oper Graz; Studio Dan erklingen. Aber diesfalls nicht live.
Nähe zu Zappa
Der Titel Studio Dan gehört erklärt: "Hier kommt schon eine Leitfigur des Ensembles ins Spiel. Studio Dan ist eine Anspielung auf Zappas gleichnamiges Album." Man sei aber keine "Cover-Band. Wir sehen uns einfach in der Linie derer, die einen Bogen von komponierter zu improvisierter und elektronischer Musik, von Rock, Jazz bis zur zeitgenössischen Musik spannen können. Somit beschäftigen wir uns mit vielen zeitgenössischen Formen." Dies Zeitgenössische sei entscheidend bei "Dan-Projekten". Ein Kriterium kann aber auch sein, "wie bahnbrechend eine künstlerische Position war, die kann dann auch etwas Älteres repräsentieren. Anthony Braxton, Steve Reich, George Crumb, Vinko Globokar – alte Herren, aber visionär. Sie, und viele andere, legen die Latte für uns Jungen hoch. Gut so!" Studio Dan "will sich ja auch immer wieder neu erfinden", so Posaunist und Komponist Riegler. Allein der recht angespannten Finanzlage wegen ist das ohnedies irgendwie unvermeidlich. "Ich will die Frage nach Subventionen allgemein beantworten: Studio Dan wird der freien Szene zugeordnet, und diese wird mit lächerlichen Almosen abgespeist. Die freie Szene – und damit meine ich in allen Genres – leistet Entscheidendes zum Inhalt und Image dessen bei, was als Kulturnation Österreich beschrieben und wahrgenommen wird."
Viel mehr Geld für alle
Wenn man sich dann, wie "überall behauptet wird, ernsthaft um die Kultur, und zwar im Wortsinn, Sorgen macht, muss man auch die freie Szene besser arbeiten lassen. Und das ist mit viel mehr Geld verbunden." Ökonomisch käme man mit Gagen, mageren Förderungen und Selbstausbeutung ("Man arbeitet Tag und Nacht") durch. Es gibt kein Sponsoring, was Riegler bedauert.
Kommerzielle Zugeständnisse sind dennoch Tabu. "Die vielen Stile kommen in unserem Nachdenken über das, was wir machen, nicht am Beginn. Vielmehr geht es darum, die Musikbereiche oder Überblendungen zu suchen, in denen vielleicht noch etwas Neues zu finden ist. Auch wenn das unmodern klingt: Ich glaube fest an das Primat des Neuen. Ob das dann ein Lied ist, ein Jazzarrangement oder ein zeitgenössisches Instrumentalwerk: Alles kann altmodisch sein, und überall kann man das Neue finden – das ist vom Stil vollkommen entkoppelt. Um Stil geht es also nicht, es geht eher um die Haltung und die Frage, warum man etwas macht. Nicht so sehr, wie das an der Oberfläche aussieht." Ein Vorteil sind diese Haltung und die Vielgestaltigkeit "am Markt" eher nicht: "Selbst jene Veranstalter, die als innovativ gelten, blicken selten über ihren Horizont hinaus. Sie sind meistens von Marktmechanismen gesteuert." Diese seien in der "großen Klassikwelt und in der subversiven Improszene dieselben: Wer eindeutiges Profil verkaufen kann und kein Betriebsrisiko darstellt, wird von einem Szenewirt zum anderen weitergereicht." Wäre schön, so Riegler, wenn Veranstalter auch verwirrend Uneindeutiges zulassen würden. "Es käme sicher Interessantes heraus ..."