Studio Dan

Doppelbödiges Spiel mit diversen Identitäten

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Kronen Zeitung, Markus Stegmayr, 2025-09-18

Thomas Wally ist Musikprofessor. Eigentlich. Aber eben auch Komponist und Radiomoderator. Auch das noch. Und er hat nicht zuletzt ein umtriebiges Alter Ego: Karl Dieter. Ebenjener – so ließe sich sagen – komponiert hin und wieder Musik und tut es doch nicht. Diese Werke werden dann genüsslich vom Musiktheoretiker, wiederum dem anderen Ich, Wally, analysiert, zerlegt, seziert und wieder neu zusammengebaut.

Das alles klingt in gewisser Weise wie eine Person, die doch gehörig mit (s)einer gespaltenen Persönlichkeit zu kämpfen hat. Und gewissermaßen ist es auch so: Wally stand am Dienstag auf der Bühne des „Studio 3“ des ORF Landesstudios und war alles in einem: Professor, Radiomoderator und auch sein Alter Ego. Ebenjenes wurde aber „ausgelagert“ – in Form des Werkes „Being Karl Dieter“, das vom Ensemble Studio Dan in Ausschnitten gespielt wurde.

Eine reine Erfindung mit komponierten Auszügen

Der Clou an der Sache: Die besagte, offenbar rund einstündige Komposition gibt es gar nicht. Sie ist eine reine Erfindung von Wally, der dennoch Auszüge aus besagtem „Nicht-Werk“ komponierte – schlicht um Teile daraus vorführen zu lassen und sie einer musikwissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Das heißt in Ausgangslage: Wally imaginiert ein ganzes Stück, komponiert tatsächlich Teile daraus und lässt seinen inneren Karl Dieter damit wahrlich fröhliche Urstände feiern.

Aber es wird sogar noch komplizierter und komplexer: Die fiktive Komposition von Karl Dieter nimmt Bezug auf reale literarische Texte von Thomas Mann, Haruki Murakami und Virginia Woolf. In den Texten von diesen kommen ebenfalls fiktive Kompositionen vor, auf die das fiktive Werk von Karl Dieter musikalisch ausgiebig Bezug nimmt.

Davon kann einem der Kopf schwirren. Das könnte man auch als überklug bezeichnen. Zu klug, um wirklich gut oder gar lustig zu sein. Doch: Der Abend mit dieser abwegigen Idee war witzig, aberwitzig und abgründig. Denn Wally selbst macht dabei eine Transformation durch: Das Stück, ursprünglich als Hörspiel angelegt, wurde auf der Bühne zum Theaterstück, zumindest aber zum amüsanten Schauspiel. Wally selbst war also nicht er selbst, der Moderator und Professor, sondern er war selbst Schauspieler bis zu einem gewissen Grad in einer Rolle und damit in Teilen fiktiv.

Gute Musikpassagen, kühn agierende Theoretiker

Der Ritt durch die rund 80 Minuten von „Being Karl Dieter“ war jedenfalls mehr als nur wild: Da waren grandiose Musikpassagen, Musik, die lediglich der Erklärung von Mustern und Ideen diente, und ein kühn sowie kühl agierender Theoretiker, der dennoch von Zeit zu Zeit in Rage geriet, sich aber definitiv an der Idee berauscht, was hätte sein können, wenn dieses Werk tatsächlich existieren würde.

Dass dieses fiktive Werk einem realen Werk an diesem Abend zum Leben verhalf, war dabei mehr als nur eine Randnotiz.