Halbindianer im Gemeindebau
Falter 37/20, Franz Nüchtern, 2020-09-09
Kannst du ein Foto von uns machen?" Man braucht sich nur eine Kamera umzuhängen, und schon ist man mit den Kids on the Block im Geschäft. Der Block ist in diesem Falle der Franz-Novy-Hof, und der entspricht ganz und gar nicht dem, was man sich gemeinhin unter einem Hof vorstellt. Vielmehr handelt es sich um eine schwer überblickbare Agglomeration von Wohnriegeln, die Anfang der 1950er-Jahre zwischen die Kopp-, Herbst-, Pfenninggeld-und Hettenkofergasse gestreut wurden.
Auf einem Kinderspielplatz dazwischen finden noch bis Ende dieser Woche so genannte "Kurkonzerte" statt. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Corona geschuldete Freiluft-Initiative, sondern um ein Projekt, mit dem das Kulturlabor Gemeindebau schon vor längerer Zeit an Daniel Riegler herangetreten ist. Der Leiter von Studio Dan, eines Pools von Musikern und Musikerinnen, die das Feld zwischen Jazz, freier Improvisation und neuer Musik beackern, hat eine Auswahl von Stücken getroffen, die dezidiert "nicht als Show für unsere Stammblase" gedacht sind. Mit Terry Rileys „In C“ von 1964, das am Eröffnungsabend auf dem Programm stand, hat er erst unlängst im Allerheiligenpark in der Brigittenau eine sehr schöne Erfahrung gemacht: „Da sind Menschen, die sowas noch nie gehört haben, auf mich zu gekommen und haben erklärt, dass Sie uns in ihr Abendgebet einschließen werden“. Damals waren es über 200 Zuhörer, die an einem lauen Spätsommerabend den repetitionselig suggestiven Phasenverschiebungen dieses Pionierwerks der Minimal Music lauschten, an diesem meteorologisch wackeligen Frühherbsttag sind es vielleicht drei Dutzend, und nur einige wenige Erziehungsberechtigte und Gäste „von Außerhalb“ heben das Durchschnittsalter in den zweistelligen Bereich. Viele der Kids haben davor am Soundpainting–Workshop der Tänzerin Ceran Oran teilgenommen, hängen schon den ganzen Tag im Park ab und verfolgen das Konzert auf die ihrem Temperament entsprechende Weise: still sitzend und fast entrückt oder auch eher das Gegenteil davon. Nicht an alle haben Lust, sich auf die Klänge einzulassen. Ein Mann mit Hund und sehr freudloser Physiognomie echauffiert sich über die „Frechheit“, die hier „mit unseren Steuergeldern“ veranstaltet wird: „Des ist do ka Musik für Österreicha. Des is für wüde Hoibiniana!“ Ein jüngerer, ebenfalls einboster Bewohner meint gegen Ende des dreiviertelstündigen Konzerts aber schon bewundernd: „Das die so a Power haben, des durchzuspielen – a Wahnsinn!“