Studio Dan

"Wir wissen, dass Musik lebensverändernd ist!"

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Der Falter 37/22, Klaus Nüchtern, 2022-08-14

Des is do ka Musik für Österreicha. Des is für wüde Hoibindianer!", keppelte ein Gemeindebaubewohner, als das Ensemble von Studio Dan vor ziemlich genau zwei Jahren den Franz-Novy-Hof in Ottakring beschallte. Mit dem Einwand gegen den unzeitgemäßen Gebrauch des "I-Wortes" hätte man dem Mann wohl nicht zu kommen brauchen. Dabei mutet Terry Rileys Minimal-Music-Klassiker "In C" (1964) den Ohren der Zuhörer wahrlich keine besonders harschen Klänge zu, sondern pulsiert gefällig und repetitionsselig dahin. Aufführungsdauer? Irgendwo zwischen 20 und 80 Minuten.

Minimal Music, so erklärt Studio-Dan-Mastermind Daniel Rieger, sei für Aufführungen im öffentlichen Raum besonders geeignet, weil man sie nicht unbedingt vom Anfang bis zum Ende hören muss, um dessen Essenz zu begreifen. Ähnliches gelte für die fast schon esoterisch anmutenden Kompositionen des italienischen Klangmagiers Giacinto Scelsi (1905-1988), von denen zwei auf dem Programm des Festivals "Zonk!?!!" stehen.

"Sehr schön, sehr laut, sehr virtuos oder sehr schnell" seien die meisten der zwei Dutzend Stücke, mit denen die Esemblemitglieder von Studio Dan samt Gästen an vier Tagen verschiedene Orte der Brigittenau bespielen werden; wobei die ausgesuchten Lokalitäten den Anforderungen der jeweiligen Performance entsprechen. So wird etwa Phil Yaeger den kleinen Laden von Siluh Records in der Wallensteinstraße mit seiner Posaune solistisch betröten; werden Stücke für zwölfköpfiges Ensemble von Maiken Beer und Nik Hummer in der hallstarken Betonunterführung am Friedrich-Engels-Platz aufgeführt; wird die Abschlussveranstaltung mit Eve-Marie Schallers Choreografie zu "Femenine", einem Werk des afroamerikanischen Minimal-Music-Komponisten Julius Eastman (1940-1990), im Allerheiligenpark stattfinden, der größten öffentlichen Grünfläche der Brigittenau. Das noch in Prä-Pandemiezeiten entwickelte Projekte hätte ursprünglich "Virus" heißen sollen, ein Name, der sich aus einsehbaren Gründen als "ungünstig" erwies. Das Konzept einer gleichsam viralen Verbreitung indes ist geblieben.

"Bei ,Zonk!?!!' geht 's nicht nur um Musik, es ist der Versuch, es größer, in Richtung ,Soziale Plastik' zu denken", erklärt Riegler. Der vom deutschen Gesamtkünstler Joseph Beuys geprägte Begriff zielt auf eine Praxis, die die strenge Trennung von Kunstschaffenden und Publikum aufhebt, um gesellschaftsverändernde Impulse freizusetzen. In diesem Sinne gibt sich Daniel Riegler offensiv unbescheiden: "Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Kunst und Musik lebensverändernd ist!" Zugleich sieht es der Ensembleleiter, Komponist und Posaunist auch radikal pragmatisch: "Wenn niemand zu uns kommt, dann kommen eben wir zu den Leuten."

Damit ist weniger der Umstand bezeichnet, dass Studio Dan vor leeren Häusern spielen müsste, als vielmehr die Intention, das eigene Tun auch jenseits der gewohnten Spielstätten -seien es nun ein Jazzklub, eine Konzerthalle oder ein Kindertheaterhaus - aufzuführen und zu legitimieren. "Es geht nicht darum, die sogenannten ,traditionellen Orte' hinter sich zu lassen. Aber wir sind ganz altmodische Influencer, also gehen wir auch auf die Straße."

Wo man bei Kindern auf offene Ohren stoße, begegne man bei den "Erwachsenen" oft nur sturer Abwehr und Ignoranz. Im April dieses Jahres war Studio Dan mit sechs Konzerten im Kleinen, aber immerhin 550 Plätze umfassenden Saal der Hamburger Elbphilharmonie mit ihrem Projekt "Planet Globokar" zu Gast, das Musik des slowenischen Komponisten und Improvisationsmusikers Vinko Globokar für ein Publikum ab sechs Jahren aufbereitet. "Die Hütte war voll, die Kids waren begeistert, aber nach dem Konzert kam eine Lehrerin, die uns erklärt hat, dass die Musik für Kinder zu kompliziert sei. Das war einfach eine faule 40-jährige Tante, die sich selber nicht mehr anstrengen mag. Die Kinder können das aber selbst entscheiden und nehmen sich eh kein Blatt vor den Mund. Die sagen dann: ,Das war aber ur fad!'"

Mit der eigenen Generation -Riegler ist Jahrgang 1977 -geht der gebürtige Grazer überhaupt streng ins Gericht. "Dass die so zynisch geworden ist, empfinde ich wirklich als Verlust. Sie begegnet allem, was sich nicht auf Facebook abspielt oder auf Netflix läuft, nur noch mit Naserümpfen."

Kompensation für dergleichen ennuierte Saturiertheit erfahre man aber durch die spontanen Reaktionen des sich oft auch zufällig einfindenden Publikums. Eine Frau, so erinnert sich Riegler an die Aufführung von James Tenneys "In a Large Open Space" in der erwähnten Unterführung am Friedrich-Engels-Platz im Jahr 2020, sei von dem Stück zutiefst ergriffen gewesen. "Sie kam gerade vom Sterbebett ihres Vaters."